Abschied von Stift Neuburg von Alexander von Bernus



Durch die Inflation und die wirtschaftliche Lage war Alexander von Bernus (geb. 1885 gest. 1965) leider gezwungen 1926 das Stift Neuburg (heute in Heidelberg, Stadtteil Ziegelhausen) an den Benediktinerorden zu verkaufen. Nach 450 Jahre kehrten die Benediktiner wieder nach Neuburg zurück in das Kloster, das sie gegründet hatten. Noch heute besteht das Kloster, obwohl die Anzahl der Brüder sehr zurückgegangen ist. Wie schwer von Bernus der Verkauf des geliebten Stift Neuburgs fiel, kann man an seinem Abschiedsgedicht erkennen. Sein Leben lang bedauerte von Bernus den Verkauf, besonders da er nach wenigen Jahren durch sein Laboratorium über ausreichende Einkünfte verfügt hätte, um das Stift zu behalten.

Abschied von Stift Neuburg

von Alexander von Bernus

Die letzten Abschiedsstrophen
Wohl sinds, die ich heut schrieb
Hier am gewohnten Ofen
Mir selbst und Euch zulieb.

Und wie ich schrieb, da glitten
Die Augen um und um:
Wer solchen Tod gelitten,
Der fragt nicht erst: Warum?

Wer selber je empfunden,
Was Angehören sei,
Der geht an diesen Stunden
Nicht teilnahmslos vorbei.

Mein Stift, ererbt, erworben,
Verwaltet wie ein Amt:
Heut gebe ichs dem Orden
Zurück, von dem es stammt,

Das bald nur noch Gebete,
Wie heut Gedichte faßt.
Wenn ich es neu betrete,
Bin ich hier nurmehr Gast.

Ich war in dieser Stube
Ja schon als Kind daheim,
Hier schrieb der scheue Bube
Einst seinen ersten Reim.

Ich weiß es noch wie heute
(neun Jahre war ich alt),
Wie sehr der Reim mich freute,
Daß ich ihn stets behalt:

„O Welt, wie bist du herrlich
Im goldnen Sonnenschein!
Und drunten fließt der Neckar,
und weitfort fließt der Rhein“.

Und was ich schrieb seit jenem,
Was war es mehr als dies:
Daß ich das ewige Sehnen
Und Rhein und Neckar pries?

Nun steh ich in fast leerer
Behausung, ausgeräumt.
Der Abschied fällt doch schwerer,
Als ich mir je geträumt.

Dies letztliche Verzichten,
Wie glaubenslos ichs tu:
Man deckt nicht mit Gedichten
Das eigne Leben zu.

Doch wenn ich dann mich frage:
Und waren, vielbeschwert,
Die fünfzehntausend Tage
Denn so viel Mühens wert?

So weiß ich nichts zu finden,
Was einer Antwort gleicht.
Man muß erst überwinden,
Dann findet man – vielleicht!

veröffentlicht im Buch: Gold um Mitternacht, 1930, S. 180-182